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Deutsch
Gude und Tashi Deleg! Herzlich willkommen zu dieser Folge von Global Village 069 – Die Welt zu Hause in Frankfurt, dem Podcast, der die internationale Vielfalt von Frankfurt am Main zelebriert.
Dieses Mal geht es auf unserer Weltreise durch unsere Stadt nach Tibet, auch bekannt als das „Dach der Welt“. Tibet steht für eine faszinierende Kultur, die ganz anders ist als unsere westliche. Sie ist stark vom Buddhismus geprägt ist, und damit von Lehren des Mitgefühls, der Selbstreflexion und des Miteinanders. Aber auch für diejenigen, die mit Religion überhaupt nichts am Hut haben, hält die tibetische Kultur viele Schätze bereit, zum Beispiel im Bereich der Stressbewältigung, der Persönlichkeitsentwicklung, der Kulinarik und der wunderschönen tibetischen Kunst.
Wenn ich jetzt bei euch das Fernweh geweckt habe, habe ich gute Nachrichten. Denn ein kleines Stück Tibet liegt mitten in Bockenheim unweit der Messe. Dort steht nämlich das Tibethaus. Hier bietet ein höchst engagiertes Team das ganze Jahr über ein vielfältiges Programm an Events an, wo wirklich für jeden etwas dabei ist.
Einer aus diesem Team ist Thoesam Rinpoche, und ich freue mich wirklich sehr, dass er sich die Zeit genommen hat, mir mehr über das Tibethaus und auch über seine faszinierende Lebensgeschichte und seinen Weg aus Tibet nach Frankfurt zu erzählen. Rinpoche ist übrigens nicht sein Nachname, sondern ein tibetischer Ehrentitel (wobei es ihm selbst fast lieber ist, ihn wegzulassen). Wir sprechen über die Geschichte und das Angebot des Tibethauses, über Thoesams größte Kulturschock-Momente in Deutschland und darüber, wo man in Frankfurt das beste tibetische Essen bekommt.
Und schonmal vormerken: Am 22. Juni ist Tag der offenen Tür im Tibethaus!
Vorneweg: Hilfreiche Links
Tibethaus Deutschland
Über Reinkarnation im Buddhismus
- Info-Film auf YouTube: „Wiedergeburt“ vom Kanal „Buddhas Lehre“
Thoesams Tipps für tibetisches Essen in Frankfurt:
Unsere Gesprächsthemen:
00:00 – Anfangszitat: Meditieren kann man immer und überall
02:50 – Der Ländersteckbrief: Tibet
05:12 – Das Tibethaus in Bockenheim ist ein Zentrum für Buddhismus, die tibetische Sprache und Kultur. Es gibt fünf Bereiche: Buddhismus, Persönlichkeitsentwicklung, Kunst+Kultur, Heilkunde, Wissenschaft. Im Jahr finden ca. 300 Veranstaltungen statt. Schirmherr ist seine Heiligkeit, der 14. Dalai Lama
07:04 – Der Unterschied zwischen dem Tibethaus und z.B. dem Tibetischen Zentrum Hamburg: Im Tibethaus geht es nicht nur um Buddhismus, sondern auch um säkulare Persönlichkeitsentwicklung wie SEE Learning (Social, Ethical, Emotional). Dieser Ansatz ist seiner Heiligkeit sehr wichtig. Es gibt nur vier Tibethäuser dieser Art weltweit: in Neu-Delhi, Barcelona, New York City und eben in Frankfurt
08:49 – Die Entstehungsgeschichte des Tibethauses: S. E. Dagyab Rinpoche, ein enger Vertrauter des Dalai Lama, kam Mitte der 60er Jahre nach Deutschland, um in Bonn an der Universität zu lehren. Er gründete zunächst ein buddhistisches Zentrum, aus dem sich später – mit dem Segen des Dalai Lama – das Tibethaus entwickelte
12:06 – Warum ist das Tibethaus in Frankfurt und nicht in Berlin? Seine Heiligkeit hat sofort Frankfurt ausgewählt. Ein Grund ist sicherlich, dass FFM im Herzen von Deutschland und sogar von Europa liegt
13:13 – An wen richtet sich das Tibethaus? Nicht nur an Menschen, die am Buddhismus interessiert sind! Es gibt zum Beispiel auch tibetische Sprachkurse, Yoga, MBSR (Stressbewältigung), offene Meditationsabende am Mittwoch. Meditieren muss übrigens nichts mit Buddhismus zu tun haben. Man kann immer und jederzeit meditieren, beim Wasser-trinken oder Spazierengehen.
15:40 – Thoesams Rolle im Tibethaus: Er ist Bereichsleiter für Kunst und Kultur. Dazu gehören Vorträge über tibetische Heilkunde, wechselnde Kunstausstellungen und Reisen an wichtige Orte des Buddhismus. Im Mai – einem der heiligsten Monate im Buddhismus – findet eine Reise nach Dharamsala statt. Ende des Jahres gibt es eine Pilgerreise unter anderem nach Indien und Nepal. Eine Reise nach Lhasa ist für Thoesam nicht möglich: Als Exil-Tibeter darf er dort nicht hinreisen
23:12 – Am 22. Juni findet der Tag der offenen Tür statt. Thoesam beschreibt ihn wie einen Film-Trailer, der einen ersten Eindruck vermittelt. Hier stellen sich alle Bereichsleiter*innen vor. Es gibt eine Meditation, Workshops zum Statuen-Füllen (falls möglich), Einblicke in die tibetische Sprache und Schrift, Möglichkeiten den Shop kennenzulernen und Fragen zu stellen
27:15 – Wo findet man das Tibethaus im Netz? Die erste Anlaufstelle ist die Website. Außerdem ist das Tibethaus auf Instagram, Facebook, LinkedIn und YouTube. Jeden Montag wird der liebevoll gestaltete Newsletter mit allen wichtigen Neuigkeiten verschickt
28:05 – Thoesams Geschichte: Was bedeutet sein Titel „Rinpoche“? Rinpoche ist ein buddhistischer Ehrentitel und bedeutet übersetzt „der Wertvolle“. Thoesam ist die Reinkarnation eines großen Lehrers aus Zentraltibet. Wie beim Dalai Lama geben weit entwickelte tibetische Geistliche vor ihrem Tod Hinweise, in Gestalt welchen Kindes sie im nächsten Leben wiederkommen werden
32:14 – Thoesam war fünf Jahre alt, als er als Rinpoche identifiziert wurde. Im tibetischen Buddhismus geht man davon aus, dass es 49 Tage dauert zwischen dem Tod und der Wiedergeburt in einem neuen Menschen oder auch anderen Lebewesen. Nachdem er Rinpoche wurde, ist er mit seinem Großvater nach Indien geflohen, um der Verfolgung durch die chinesische Regierung zu entgehen
35:29 – Fast jedes tibetische Kloster ist in Indien oder Nepal 1959 nachgebaut worden. Als Seine Heiligkeit nach Indien floh, kamen Hundertausende Tibeter*innen mit, darunter viele Nonnen und Mönche. Diese wollten ihre Heimatklöster neu aufbauen. Dies geschah teilweise im Wald oder in kleinen Dörfern, wo es vorher keine Arbeit gab. Jetzt aber schon! So profitieren beide Seiten: die Exil-Tibeter*innen haben ein neues Zuhause für ihre Kultur, die lokale Bevölkerung hat Arbeit
37:58 – 2011 verließ Thoesam mit 21 Jahren sein Kloster und das Leben als Mönch. Die Menschen kamen zu ihm und seinen Brüdern, damit sie durch Gebete ihre Probleme lösen sollten. Irgendwann wollte er das nicht mehr. Außerdem hatte er Englisch gelernt, als einer von wenigen Mönchen. Er wollte mehr von der Welt sehen
39:39 – 2017 kam Thoesam nach Deutschland. Dagyab Rinpoche, der Gründer des Tibethauses, kannte Thoesam noch als Kind aus dem Kloster. Er wusste, dass er Englisch sprach, und bot ihm an, nach Deutschland zu kommen, um sein Studium hier fortzusetzen
42:13 – Die erste Station in Deutschland für Thoesam war Erlangen. Er hatte gleich drei Kulturschocks, aber im positiven Sinne:
- Man kann so schnell auf der Autobahn fahren, wie es in Indien nie möglich wäre.
- Die Luft ist viel sauberer, sodass man weit in die Ferne sehen kann.
- In Deutschland fahren viele reiche Leute mit dem Fahrrad. In Indien nur die diejenigen mit wenig Geld.
Schließlich ging Thoesam nach Hamburg, um seinen Master zu machen. Hamburg ist sehr anders als Erlangen, allein vom Wetter her. Thoesam aber gefiel die Internationalität der Stadt und die Tatsache, dass sie am Meer liegt
47:04 – Thoesam fing im Mai 2018 an, am Tibethaus zu unterrichten, zunächst noch von Hamburg aus. Nach dem Tod des damaligen Geschäftsführers der tibetischen Kulturstiftung im Jahr 2019 übernahm er aber zunehmend mehr Aufgaben und zog schließlich Ende 2021 nach Frankfurt. Hier gefallen ihm das Wetter und die Internationalität besonders. Aber auch Hamburg hat einen großen Platz in seinem Herzen – beide Städte haben ihre Vorteile und ihre eigene Schönheit
49:28 – Thoesams Tipps für tibetisches Essen in Frankfurt: Lhamo Bistro (Bockenheim), Tibet Ama Kitchen (Bornheim), Mian Nudelhaus (Bahnhofsviertel). Die bekannteste Spezialität aus Tibet sind Momos, gefüllte Teigtaschen. Aber auch Nudeln stehen immer hoch im Kurs. Auf jeden Fall ist es köstlich. 🙂
English
Gude and Tashi Deleg! Welcome to this episode of Global Village 069 – The World at Home in Frankfurt, the podcast that celebrates the international diversity of Frankfurt am Main.
This time, our world tour through our city takes us to Tibet, also known as the „roof of the world“. Tibet stands for a fascinating culture that is very different from our western one. It is strongly influenced by Buddhism, and thus by teachings of compassion, self-reflection and connectedness. But even for those who have nothing at all to do with religion, Tibetan culture has many treasures to offer, for example in the areas of stress management, personal development, cuisine and the beautiful Tibetan art.
If I have now awakened your wanderlust, I have good news. Because a little piece of Tibet lies in the middle of Bockenheim, not far from the trade fair. That’s where the Tibet House is located. Here, a highly committed team offers a varied program of events throughout the year, where there really is something for everyone.
One of this team is Thoesam Rinpoche, and I am really pleased that he took the time to tell me more about the Tibet House and also about his fascinating life story and his journey from Tibet to Frankfurt. Incidentally, Rinpoche is not his surname, but an honorary Tibetan title (although he himself prefers not to use it). We talk about the history and what the Tibet House has to offer, about Thoesam’s biggest culture shock moments in Germany and about where to get the best Tibetan food in Frankfurt.
And note this date in your diaries: June 22nd is open day at the Tibet House!
Some helpful links upfront
Tibethaus Germany
About reincarnation in Buddhism
- Info film on YouTube (in German): „Wiedergeburt“ vom Kanal „Buddhas Lehre“
Thoesams tips for Tibetan food in Frankfurt:
Our topics of conversation:
00:00 – Opening quote: You can meditate anytime and anywhere
02:50 – The country profile: Tibet
05:12 – The Tibet House in Bockenheim is a center for Buddhism, the Tibetan language and culture. There are five areas: Buddhism, personal development, art+culture, healing, science. Around 300 events are held each year. The patron is His Holiness the 14th Dalai Lama
07:04 – The difference between the Tibet House and e.g. the Tibetan Center Hamburg: The Tibet House is not only about Buddhism, but also about secular personal development such as SEE Learning (Social, Ethical, Emotional). This approach is very important to His Holiness. There are only four Tibet Houses of this kind in the world: in New Delhi, Barcelona, New York City and Frankfurt
08:49 – The history of the Tibet House: H. E. Dagyab Rinpoche, a close confidant of the Dalai Lama, came to Germany in the mid-1960s to teach at the university in Bonn. He initially founded a Buddhist center, which later developed into the Tibet House with the blessing of the Dalai Lama
12:06 – Why is the Tibet House in Frankfurt and not in Berlin? His Holiness immediately chose Frankfurt. One reason is certainly that FFM is in the heart of Germany and even Europe
13:13 – Who is the Tibet House aimed at? Not only people who are interested in Buddhism! For example, there are also Tibetan language courses, yoga, MBSR (stress management) and open meditation evenings on Wednesdays. By the way, meditation does not have to have anything to do with Buddhism. You can meditate anytime and anywhere, while drinking water or going for a walk.
15:40 – Thoesam’s role at Tibet House: He is the head of the art and culture department. This includes lectures on Tibetan medicine, changing art exhibitions and trips to important places of Buddhism. In May – one of the holiest months in Buddhism – there is a trip to Dharamsala. At the end of the year, there is a pilgrimage to India and Nepal, among other places. A trip to Lhasa is not possible for Thoesam: as a Tibetan in exile, he is not allowed to travel there
23:12 – The open day at Tibet House takes place on June 22. Thoesam describes it like a movie trailer that gives a first impression. All the department heads introduce themselves. There is a meditation, workshops on filling statues (if possible), insights into the Tibetan language and script, opportunities to get to know the store and ask questions
27:15 – Where can I find the Tibet House online? The first place to go is the website. The Tibet House is also on Instagram, Facebook, LinkedIn and YouTube. Every Monday, the lovingly designed newsletter is sent out with all the important news
28:05 – Thoesam’s story: What does his title „Rinpoche“ mean? Rinpoche is an honorary Buddhist title and means „the precious one“. Thoesam is the reincarnation of a great teacher from central Tibet. As with the Dalai Lama, highly developed Tibetan spiritual leaders give clues before their death as to in which child they will return in the next life
32:14 – Thoesam was five years old when he was identified as Rinpoche. In Tibetan Buddhism, it is believed that it takes 49 days between death and rebirth in a new human or other living being. After becoming Rinpoche, he fled to India with his grandfather to escape persecution by the Chinese government
35:29 – Almost every Tibetan monastery was rebuilt in India or Nepal in 1959. When His Holiness fled to India, hundreds of thousands of Tibetans came with him, including many nuns and monks. They wanted to rebuild their home monasteries. Some of them did this in the forest or in small villages where there was no work before. But now there is! So both sides benefit: the exiled Tibetans have a new home for their culture, the local population has work
37:58 – In 2011, Thoesam left his monastery and life as a monk at the age of 21. People came to him and his fellow monks to solve their problems through prayer. At some point, he no longer wanted to do this. He had also learned English, as one of only a few monks. He wanted to see more of the world
39:39 – Thoesam came to Germany in 2017. Dagyab Rinpoche, the founder of Tibet House, knew Thoesam as a child from the monastery. He knew that he spoke English and offered him the opportunity to come to Germany to continue his studies here
42:13 – Thoesam’s first stop in Germany was Erlangen. He had three culture shocks, but in a positive sense:
- you can drive as fast on the highway as you never could in India.
- the air is much cleaner, so you can see far into the distance.
- in Germany, many rich people ride bicycles. In India, only those with little money do.
Finally, Thoesam went to Hamburg to do his Master’s degree. Hamburg is very different from Erlangen, just in terms of the weather. But Thoesam liked the international character of the city and the fact that it is by the sea
47:04 – Thoesam started teaching at Tibet House in May 2018, initially from Hamburg. However, after the death of the then Managing Director of the Tibetan Cultural Foundation in 2019, he took on more and more tasks and finally moved to Frankfurt at the end of 2021. He particularly likes the weather and the international atmosphere here. But Hamburg also has a big place in his heart – both cities have their advantages and their own beauty
49:28 – Thoesam’s tips for Tibetan food in Frankfurt: Lhamo Bistro (Bockenheim), Tibet Ama Kitchen (Bornheim), Mian Nudelhaus (Bahnhofsviertel). The best-known specialty from Tibet is momos, filled dumplings. But noodles are also very popular. In any case, it’s delicious. 🙂